parrotta

 

Alexander Brenner

Houses and Rooms

STUTTGART: 11. Juli - 9. August 2008

BERLIN: 25. Juli - 9. August 2008

 

Die Galerie Parrotta wird am 11. Juli eine Ausstellung des Stuttgarter Architekten Alexander Brenner eröffnen und damit das architektonische Umfeld der Galerie in seiner Funktion als Hülle für die Kunst selbst thematisieren. Alexander Brenner hat mit seiner Formensprache ein sehr ausdruckstarkes Raumkonzept für unsere Ausstellungsräume entworfen. Mit großer Sensibilität für die Geschichte des Ortes sowie für die Anforderungen, welche sich aus den Aufgaben des Ausstellens ergeben, hat er zusammen mit seinem Team aus einem ehemaligen Fabrikraum eine Galerie mit sehr eigenständiger Struktur und Tektonik entstehen lassen. Mit einem für den Galerieraum entworfenen Ausstellungskonzept wird Alexander Brenner unter dem Titel «Houses» ausgewählte Projekte präsentieren. Die hierfür geschaffenen Schwarzweiß-Grafiken thematisieren die gezeigten Häuser in ihrem zur Essenz abstrahierten Kontext. Durch die graphisch kontrastreiche Umsetzung der Projekte wird das Wesen der körperhaften Bauten in einer hohen Intensität sichtbar.


Alexander Brenner »Houses« (engl.)
At Gallery Parrotta an exhibition on the Stuttgart architect Alexander Brenner will be opened on July 11, where the architectural setting of the gallery in its function as a shell for art itself will be made subject of discussion. With his language of design, Alexander Brenner has created a very concise and unique concept for our exhibition rooms. Together with his team and with great sensitivity for the history of this place and the requirements of displaying art he has changed a factory floor into a gallery with an unique structure and tectonics. With an exhibition concept that has specifically been designed for our gallery, Alexander Brenner will present selected projects under the title “houses”. The black and white graphics he has made pick out the houses, whose context has been abstracted to their essence, as their central theme. These graphically contrasting translations of the projects make the nature of the physical aspects of his edifices become very intensely visible.

 

 

STUTTGART

Alexander Brenner

Houses

Eröffnung: 11. Juli 2008, ab 19.00 Uhr

S/W-Fotos von Deniz Saylan

 

 

 

    

 

19.30 Uhr Einführung von Amber Sayah, Stuttgarter Zeitung: Guten Abend, meine Damen und Herren. Ich weiß nicht, ob Sie schon Gelegenheit hatten, sich hier ein wenig umzusehen - wenn ja, dann wird Ihnen nicht entgangen sein: diese Ausstellung ist nicht normal. Normalerweise nämlich stellt die Galerie Parrotta Kunst und keine Architektur aus. Da Alexander Brenner diese Räume umgebaut hat, macht der Bauherr - Sandro Parrotta – aber eine Ausnahme. Eine einmalige Ausnahme wohlgemerkt, um seinem Architekten die Ehre zu erweisen. Doch normalerweise sehen Architekturausstellungen auch ganz anders aus als diese hier. Denn normalerweise gehören zu einer Architekturausstellung, die ja immer den Nachteil hat, dass sie keine Originale, also keine Bauwerke im 1:1-Maßstab, zeigen kann, Pläne, Fotos und Modelle. Zwar haben wir es hier mit dem Sonderfall zu tun, dass Sie sich mitten in einem Original befinden, doch die Ausstellung bezieht sich auf die Wohnhäuser von Alexander Brenner, für die sein Name ja vor allem steht. Auch das ist, nebenbei bemerkt, nicht normal: dass ein Architekt es heutzutage allein mit Wohnhäusern nicht nur zu Bekanntheit und Ansehen bringt, sondern auch zu einem Auskommen. Sie halten das jetzt sicher für stark übertrieben – immerhin sind es meist große Villen für wohlhabende Bauherrn, die Alexander Brenner plant -, aber es ist keineswegs übertrieben. Ich kenne genügend Architekten, große Büros, die grundsätzlich keine Wohnhäuser bauen, weil ihnen der Planungsaufwand zu hoch und der Verdienst im Verhältnis dazu viel zu niedrig ist.        

Kommen wir auf die Ausstellung zurück: Pläne und Modelle gibt es, wie gesagt, nicht. Statt dessen nur diese stark abstrahierten, sehr graphisch wirkenden Schwarzweißbilder der Bauten von Alexander Brenner, die Sie hier ringsum sehen, die ästhetisch zwar ausgezeichnet zum Schwarzweiß der Galerieräume passen, ansonsten aber fast nichts von sich preisgeben. Keine Informationen über den Grundriss, nichts über das Material und die Funktion, nullkommanichts über den Standort - eben all das, was man normalerweise von einer Architekturausstellung so erwarten würde. Nur wer genau hinguckt, wird da oder dort, gut versteckt am unteren Bildrand zum Beispiel, ein paar Zwiebeltürmchen entdecken und daraus schließen können, dass das Haus auf diesem Bild in München steht oder auf anderen Bildern den Fernsehturm am Horizont als Indiz dafür nehmen, dass es sich um Stuttgarter Häuser handeln muss. Eine leichte Verunsicherung tritt jedoch sogleich wieder ein, wenn man weiß, dass der Architekt auf diesen Darstellungen keinen Unterschied zwischen gebauten und ungebauten bzw. noch nicht fertig gebauten Häusern macht. Von Fall zu Fall hat er auch korrigierend eingegriffen und der Realität zu etwas mehr Idealität verholfen. Dieses Haus in Marbella etwa thront auf seinem Felsen nicht ganz so nah über dem Wasser wie auf dem Bild und ist in Wirklichkeit auch noch nicht vollendet, dieser Weinberg in Stuttgart reicht nicht ganz so dicht bis an die Schwelle der ihn bekrönenden Villa, und die Türme der Frauenkirche sind von dem Münchner Haus aus de facto gar nicht zu sehen ...

Corriger la fortune - Sie kennen vielleicht Nietzsches Aphorismus, dass es dem fähigen Künstler erlaubt sein muss, die "schlimmen Zufälligkeiten" im "Leben der Großen" zu korrigieren, indem er zum Beispiel eine nur als Klavierauszug hinterlassene Beethoven-Symphonie nachträglich als Orchesterwerk "zum Leben erweckt". Schriftsteller, Maler, Filmer, Theaterleute - alle haben die Lizenz, sich jede künstlerische Freiheit gegenüber der Realität herauszunehmen. Nur den Architekten wollen die Regeln, oder sagen wir lieber: die Konventionen, auf "Ehrlichkeit" festnageln. Ehrlichkeit - das war lange Zeit ein ehernes Gesetz in der modernen Architektur, und ist es zum Teil noch immer. Nichts soll beschönigt oder verhüllt werden, nichts nachträglich korrigiert. Rekonstruktionen etwa sind in der Architektur ein sehr kontrovers diskutiertes Thema, und ein baulicher Torso wie der klassizistische Frankfurter Portikus am Mainufer, den der Architekt Christoph Mäckler in seiner historischen Form ergänzt hat – auf sehr gelungene Weise, wie ich meine - ist unter seinen Fachkollegen höchst umstritten. Das ist übrigens eine genaue Entsprechung zum Nietzsche-Beispiel: ein unfertiges, nicht richtig ausformuliertes Werk, das ein Nachgeborener zum Leben erweckt. Verzeihen Sie, das war jetzt ein kleiner architekturtheoretischer Seitenblick. Was Alexander Brenner und das Thema Ehrlichkeit betrifft, sagt er: "Wir sind total unehrlich - wir belästigen unsere Bauherrn nicht mit Konstruktion oder Technik." Er sagt aber auch: "Unsere Häuser sind total präzise und perfekt." Wenn also überhaupt Manipulationen notwendig sind, dann nicht an der Architektur - Brenner-Häuser sind, um bei Nietzsches Exempel zu bleiben, niemals Klavierauszüge, sondern immer auskomponierte Symphonien. Allenfalls die Realität, die Natur, die Stadt, das Umfeld brauchen ein paar Schönheitskorrekturen, aber nicht, damit es halt ein bisschen schöner aussieht als in Wirklichkeit, sondern um das Essentielle der Architektur hervorzukehren. Es geht in diesen Verbildlichungen also darum, die Bauten so darzustellen, wie der Architekt sie beim Entwerfen denkt: als Baukörper, als Idealform, als plastische Volumen. Insofern hat Alexander Brenner sich hier für ein künstlerisches Verfahren im Umgang mit der Realität entschieden, das Veränderungen nicht im Sinne von Täuschungsmanövern vornimmt, sondern um Klarheit zu schaffen - und was könnte klarer sein als der Kontrast von schwarz und weiß?

Sie werden sich allmählich fragen: Wann sagt sie denn endlich was über seinen Stil?

Architekten mögen dieses Wort nicht besonders, auch Alexander Brenner nicht. Sie ziehen es vor, von Formensprache zu reden - zu Recht, finde ich, denn seit es eindeutig voneinander abgrenzbare Epochenstile wie den Barock oder den Klassizismus nicht mehr gibt, sagt Stil nicht mehr viel aus.

Natürlich fällt an Brenner-Häusern auf, dass sie eine auffällige Handschrift haben: kubische Baukörper, eine komplexe Geometrie aus geschlossenen weißen und offenen gläsernen Flächen, Formen, die unübersehbar von der klassischen Moderne abstammen, und natürlich denkt man beim Anblick seiner Häuser unwillkürlich an Le Corbusiers berühmte Definition der Architektur als "das kunstvolle, korrekte und großartige Spiel der unter dem Licht versammelten Baukörper" (auch wenn Alexander Brenner sich über diese Assoziation gern lustig macht). Aber Sie müssen nur auf die Bilder schauen, um „das Spiel der Baukörper unter dem Licht“ darauf zu (wiederzu-)erkennen.

Immerhin gibt Alexander Brenner zu, dass das Vorbild der klassischen Moderne ihm "Trost in finsteren Zeiten" bot und ihn vor der "Vergänglichkeit der Moden" schützte. Postmoderne, Dekonstruktivismus und - in neuerer Zeit - Biomorphismus oder Computerbarock sind spurlos an ihm vorübergegangen, Distanz hält er ebenso aber auch zum Despotismus der frühen Moderne, die ihren Bewohnern vorschreiben wollte, wie sie zu leben hatten. (Wer's nicht glaubt, möge sich einmal im rekonstruierten Corbusier-Haus auf dem Weißenhof umsehen.) Und dass sich bei Alexander Brenner wirklich nicht alles unter das Diktat eines Konzepts beugen muss, sehen Sie an der grünen Treppe hier in der Galerie, die grün sein darf, so wie sie vorgefunden wurde, obwohl alles andere schwarzweiß ist. Ich habe auch noch nie Häuser gesehen, die sich ihren Bewohnern in allen Belangen so angenehm und so nützlich machen wie die von Alexander Brenner. „Deplaziert“ muss sich in seiner Architektur niemand fühlen – was einem in einem Haus von Le Corbusier, einem dieser modernen Menschheitserzieher, oder, um mal einen anderen Namen ins Spiel zu bringen – in einem Sobekhaus durchaus passieren könnte: dass man falsch angezogen ist oder die falsche Polstergarnitur hat. Zum "Schergen" seiner Bauherrn macht sich Alexander Brenner aber deswegen nicht ("Schergenarchitektur" - ein Lieblingsschimpfwort von ihm). Sein erster Bauherr, hat er erzählt, der anders als spätere Auftraggeber noch nicht ahnen konnte, was ihm blühte, wollte von ihm ein Schwarzwaldhaus. Bekommen hat er selbstverständlich Brenner - dennoch trafen sie sich nicht vor Gericht. Wenn man Alexander Brenner nach seinem direkten Vorbild in der Baugeschichte fragt, lautet die Antwort deswegen auch nicht Le Corbusier, sondern Lois Welzenbacher: Den Häusern von Welzenbacher, dem herausragenden Vertreter der klassischen, weißen Moderne in Tirol, merke man auch nach fünfzig oder sechzig Jahren noch die Liebe an, mit der sie geplant und gebaut wurden. Liebe - was für eine merkwürdige Vokabel im Zusammenhang mit Architektur. In der neueren und vermutlich auch der älteren Theoriediskussion wird man sie vergeblich suchen, und die meisten Architekten würden bei diesem Wort vermutlich zusammenzucken, aber Alexander Brenners Bauherrn lieben ihn dafür. Ebenso schwer fallen dürfte es, einen zweiten Architekten zu finden, der prinzipiell auf Modelle verzichtet. Denn die Wahrheit ist, dass Alexander Brenner seine Modelle nicht einfach nur zu Hause gelassen hat, sondern dass er ohne Modelle plant und baut. Spätestens an dieser Stelle werden Sie meiner Eingangsdiagnose zustimmen: dieser Architekt ist nicht normal. Wie er es trotzdem schafft, perfekte Häuser zu bauen? Ich habe keine Ahnung. Fragen Sie ihn am besten selbst! Amber Sayah

 

 

 


Kurzer Arbeitsbericht über ein kleines und ein großes Haus:
Dienstag, 22. Juli 2008, 20.00 Uhr

   

 

 

BERLIN

Alexander Brenner
Rooms

Eröffnung: 25. Juli 2008, ab 19.00 Uhr
Deniz Saylan
S/W-Fotografien der Galerie Parrotta Contemporary Art Stuttgart